Emil Fischer

Banquet speech

Emil Fischer’s speech at the Nobel Banquet in Stockholm, December 10, 1902 (in German)

Königliche Hoheiten!
Hochansehnliche Festversammlung!

Bei der feierlichen Preisverteilung sind durch den Herrn Präsidenten der Königl. Vetenskaps-Akademien so viele schmeichelhafte Worte der Anerkennung an mich gerichtet worden, und das Gleiche ist soeben wieder durch den Herrn Prof. Cleve geschehen, dass ich mir habe die Frage vorlegen müssen, ob es nicht nötig sei, alle diese Lobsprüche auf ein legitimes Mass zurückzuführen. Da aber die Herzlichkeit der Begrüssung mir heute abend das Selbstvertrauen wiedergegeben hat, so treten alle anderen Empfindungen zurück gegen das Bedürfnis, meinem tiefgefühlten Dank warmen Ausdruck zu geben.

Derselbe gilt in erster Linie Seiner Majestät dem Könige, dem weisen Oberhaupte dieses Landes und den Angehörigen des Königlichen Hauses, die uns auch hier die Ehre Ihrer Anwesenheit schenken, für die überaus huldvolle Weise, in der Sie uns Fremde empfingen. Er gilt ferner der ehrwürdigen Korporation, welche mich durch Verleihung des chemischen Preises ausgezeichnet hat, der Kongl. Vetenskaps-Akademien. Er gilt endlich diesem weiteren Kreise, der auf so liebenswürdige Art Gastfreundschaft zu üben weiss.

Über die Bedeutung der grossartigen Stiftung von Dr. Nobel, die alles Ähnliche weit hinter sich lässt, ist bereits so viel gesprochen und noch mehr geschrieben worden, dass es schwer wäre, Neues hinzuzufügen. Wie hoch sie in der Wertschätzung der grossen Welt steht, beweist am besten der Eifer oder Übereifer, mit dem die Presse aller Länder ihre Angelegenheiten bespricht und schon im voraus auf etwas indiskrete Art die Chancen des Gewinnes diskutiert. Dass aber auch die gelehrte Welt das grösste Gewicht auf Ihre Entscheidung legt, hat sich im vergangenen Jahre deutlich gezeigt, wo allenthalben Ihr Votum mit Freude und Genugtuung und ohne eine Spur von nationaler Eifersüchtelei begrüsst wurde.

Dass es in diesem Jahre ebenso gehen möge, kann niemand sehnlicher wünschen als wir Preisempfänger selbst. Aber die Verantwortung dafür dürfen wir glücklicherweise den hohen entscheidenden Körperschaften überlassen. Der breite Schild ihrer wissenschaftlichen Autorität gewährt ausreichende Deckung gegen alle Kritik, und als Chemiker habe ich noch den Vorteil, mich besonders sicher zu fühlen; denn auf keinem anderen Gebiete hat Schwedens grosser wissenschaftlicher Ruhm heller gestrahlt, als auf dem der Scheidekunst. Es genügt, die Namen Scheele und Berzelius zu nennen, um eine lange glorreiche Entwicklungsperiode unserer Wissenschaft zu bezeichnen, und die Tradition dieser grossen Männer ist bis auf den heutigen Tag durch eine lange Reihe ausgezeichneter Gelehrter hier hoch gehalten worden.

Die pietätvolle Verehrung für Berzelius, der man in weiten Kreisen der schwedischen Bevölkerung begegnet und die in der Gründung des Berzelius-Museums einen rührenden Ausdruck erhielt, hat für den Chemiker geradezu etwas Anheimelndes und Erhebendes, und der deutsche Chemiker speziell erinnert sich dabei gern, wieviel auch sein Vaterland dem persönlichen Einfluss dieses trefflichen Mannes zu verdanken hat.

Um das zu zeigen und zugleich noch älterer Beziehungen zwischen schwedischer und deutscher Chemie zu gedenken, ist es mir wohl erlaubt, Sie für einen Augenblick 1½ Jahrhunderte in der Geschichte unserer Wissenschaft zurückzuführen.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Chemie in Deutschland und besonders in Berlin mit grösstem Erfolge gepflegt. Die Erfindung des Berlinerblaus und Porzellans und die Entdeckung des Rübenzuckers liefern den Beweis dafür. Ernst Georg Stahl, Sigismund Marggraf und Johann Heinrich Pott zählten zu den besten Forschern Europas. Aber als diese Männer alterten und sich in Deutschland kein würdiger Ersatz für sie fand, da suchte man von Berlin aus die entstehenden Lücken durch persönliche Anleihen in Schweden zu decken. Das ist zum ersten Mal geschehen durch den grossen König Friedrich, der ernsthaft, wenn auch vergeblich sich bemühte, Ihre damaligen besten Chemiker Scheele, Bergmann oder Engström nach Berlin zu ziehen; und noch ein zweites Mal hat Preussen eine ähnliche chemische Eroberung in Schweden versucht. Nach dem Tode von Klaproth bot die Preussische Unterrichtsverwaltung den erledigten Lehrstuhl an der Berliner Universität Ihrem Berzelius mit einem für damalige Zeit ungewöhnlich hohen Gehalte an. Berzelius hat allerdings als guter Patriot abgelehnt, und sein Vaterland würde ihn auch wohl unter keinen Umständen haben ziehen lassen. Aber er half dafür Deutschland in anderer Weise. Er nahm bekanntlich eine Reihe jüngerer deutscher Männer in sein hiesiges Laboratorium auf und schickte sie als gut geschulte Chemiker nach ihrem Lande zurück. Ich nenne nur Mitscherlich, Wöhler, Magnus, Heinrich und Gustav Rose, die alle bei uns später angesehene Professoren wurden und eine neue Blüte der Chemie in Deutschland hervorriefen.

Aus der Schule dieser Männer stamme auch ich in zweiter Linie ab und darf mich darum bis zu einem gewissen Grade auch noch als Nachkommen von Berzelius fühlen. Allerdings hat sich das Erbe des grossen Lehrers inzwischen stark zersplittert. Während er die Chemie als einheitliches Ganzes beherrschen und fördern konnte, sind wir Epigonen sämtlich Spezialisten geworden. Man kann das beklagen, aber es liegt in der Entwicklung der Wissenschaft selbst und ist vielleicht nicht einmal von Nachteil, wenn genug Spezialisten vorhanden sind, die sich in planmässiger Weise gegenseitig ergänzen.

Die wissenschaftliche Arbeit derart zu organisieren, dass dies geschieht, ist die wahre und vornehmste Aufgabe der gelehrten Assoziationen, der Akademien und anderer wissenschaftlichen Gesellschaften. Je mehr der Einzelne zurücktritt, umsomehr gewinnen sie an Bedeutung.

Das gilt alles auch in hohem Masse von der Kongl. Vetenskaps- Akademien, die hier im Lande die wissenschaftliche Forschung überwacht, und unter deren speziellem Schütze mein physikalischer Kollege und ich hier weilen.

Ich bitte deshalb um die Erlaubnis, dieser ehrwürdigen Korporation meine Huldigung darbringen zu dürfen, indem ich auf Ihr Wohl und Gedeihen trinke.


Prior to the speech, Professor P-T Cleve made this comment:

Die organische Chemie hat in De utschland einen überaus fruchtbaren Boden gefunden. An die Namen Liebig, Kolbe, Hofmann und Kekulé reihen sich die Namen von Baeyer, Victor Meyer und Emil Fischer. Seit einem Vierteljahrhundert ist dieser letztere Namen der chemischen Welt wohl bekannt. Ich erinnere mich lebhaft des Aufsehens, welches Ihre Jugendarbeit über Rosanilin erweckte. Schon daraus konnte man ahnen: “ex ungue leonem”. Hierauf folgte die Entdeckung des Phenylhydrazins, welches eine Reihe der interessantesten Verbindungen zur Folge hatte. In Ihren Händen wurde dieser Körper ein Schlüssel, welcher die Geheimnisse der Chemie der Kohlehydrate eröffnete und Sie in ein Gebiet gelangen liess, in welchem sich die Chemie und die Physiologie berühren. Auch eine andere, nicht minder bewunderungswürdige Arbeit führte in dieses Bereich; ich meine Ihre umfassende und erfolgreiche Untersuchung über die Substanzen, welche die Organe der lebenden Zelle charakterisieren.

Im vergangenen Jahre schlug die Kommission eine theoretische Arbeit zur Belohnung vor, welche uns den Mechanismus der chemischen Phänomene kennen lehrte. In diesem Jahre wollten wir eine experimentelle Arbeit vorschlagen, und es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Beschluss ganz einstimmig ausfiel. Es war dies nicht anders zu erwarten, weil es selten einem einzigen Forscher gelingt, zwei so wichtige und schwierige Arbeiten zu Ende zu führen.

Der stetig fliessende Strom Ihrer wissenschaftlichen Mitteilungen gibt uns die Berechtigung, von Ihnen noch grosse Entdeckungen zu erwarten, und für die Erfüllung dieser Hoffnungen erhebe ich mein Glas.

From Les Prix Nobel en 1902, Editor Carl Gustaf Santesson, [Nobel Foundation], Stockholm, 1905

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To cite this section
MLA style: Emil Fischer – Banquet speech. NobelPrize.org. Nobel Prize Outreach AB 2024. Sat. 23 Nov 2024. <https://www.nobelprize.org/prizes/chemistry/1902/fischer/speech/>

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