Manfred Eigen

Banquet speech

Manfred Eigen’s speech at the Nobel Banquet in Stockholm, December 10, 1967 (in German)

Eure Majestät, Eure Königliche Hoheiten, meine Damen und Herren:

In der Laudatio, die uns soeben bei der Verleihung des Chemie-Nobelpreises verlesen wurde, heißt es von „sehr schnellen Reaktionen”, „Störungen von (chemischen) Gleichgewichten”, „Blitzlichtphotolyse” und „(chemischer) Relaxation”.

Nun, es war schon eine „schnelle Reaktion”, oder – wie meine englischen Kollegen einmal unsere Resultate kommentierten – „a damned fast reaction, indeed”, mit der die Königliche Akademie vor einigen Wochen „reagierte”. Aber – anders als in unseren Experimenten – war hier die „schnelle Reaktion” nicht Folge sondern Ursache einer „Gleichgewichtsstörung”, die auch bis zum heutigen Tage nicht abgeklungen ist. Bei der Presse sind offensichtlich meine englischen Freunde Ronald und George viel populärer. Denn wir werden immer noch „flash-photolysiert”, und an Relaxation ist gar nicht zu denken.

Gibt es noch ein Wort des Dankes, das in diesen Hallen nicht ausgesprochen wurde. Ich glaube nicht, aber ein Dankeswort ist kein Plagiat. So sage ich:

Dank Ihnen, meine Herren von der Nobelstiftung für Ihre Gastfreundschaft und dafür, daß Sie uns dieser hohen Auszeichnung für würdig befanden, obwohl wir glauben, daß andere ihrer ebenso würdig wären.

Dank meinen Lehrern und Förderern – vor allem Arnold Eucken, Ewald Wicke, Karl Friedrich Bonhoeffer und Carl Wagner – die mir diesen Weg bereitet und geebnet haben.

Dank meinen Kollegen und Mitarbeitern, allen voran Leo De Maeyer, der an vielen Arbeiten so entscheidenden Anteil hatte – ich bin glücklich, daß er hier unter uns weilen kann. Dank ihnen allen, die wie eine große Familie Freuden und Enttäuschungen der täglichen Arbeit mit mir teilten.

Dank aber nicht zuletzt meiner Frau, die – wie Huggins es im letzten Jahre so treffend formulierte – das Los einer „Science Widow” mit Geduld, Selbstdisziplin und Charme erträgt.

Wird es den Glanz dieses Festes trüben, wenn ich nun feststelle, daß nicht alles zum besten steht, und daß wir vielleicht an manchem nicht ganz schuldlos sind: Ich meine das Fehlen des Friedens-Nobelpreisträgers in diesem Jahr.

Wir versuchen, in die Geheimnisse der Natur einzudringen und machen uns dabei nur zu oft der Erbsünde schuldig, die Berthold Brecht schon Galilei zum Vorwurf machte: Wir vernachlässigen die Probleme unserer Gesellschaft. Wir „laufen” nur zu oft einfach „mit” und wundern uns hinterher, daß Änderungen sich mit Gewalt vollziehen.

Aber als Deutscher sollte ich diesen Vorwurf nicht hier erheben, nicht in diesem Lande, das für uns doch ein Symbol des Friedens ist, und das der Welt gezeigt hat, daß die Anhänger verschiedener Gesellschaftsformen sich einander anpassen können, ohne dabei zu zerstören, ohne zu töten.

Nicht zuletzt dafür sollten wir unser „tack så mycket” sagen.

From Les Prix Nobel en 1967, Editor Ragnar Granit, [Nobel Foundation], Stockholm, 1968

Copyright © The Nobel Foundation 1967

To cite this section
MLA style: Manfred Eigen – Banquet speech. NobelPrize.org. Nobel Prize Outreach AB 2024. Wed. 25 Dec 2024. <https://www.nobelprize.org/prizes/chemistry/1967/eigen/speech/>

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