Biobibliographische Notiz
Der in Trinidad geborene, britische Schriftsteller V(idiadhar) S(urajprasad) Naipaul wurde 1932 in Chaguanas in der Nähe von Port of Spain auf Trinidad geboren. Seine Familie sind Nachfahren Einwanderer aus dem nördlichen Indien. Der Grossvater war Zurckerrohrarbeiter, der Vater Journalist und Schriftsteller. Im Alter von 18 Jahren begab sich Naipaul nach England, wo er an der University College in Oxford nach Beendigung seiner Studien 1953 Bachelor of Arts wurde. Seitdem ist er wohnhaft in England (seit den 70-er Jahren in Wiltshire, in der Nähe von Stonehenge), hat aber auch viel Zeit mit Reisen nach Asien, Afrika und Amerika verbracht. Abgesehen von einigen Jahren Mitte der fünfziger, als er als freier Mitarbeiter für die BBC tätig war, hat er sich voll und ganz der schriftstellerischen Arbeit gewidmet.
Naipauls Produktion besteht zu grössten Teilen aus Romanen und Novellen, aber auch aus einigen dokumentarischen Schilderungen. Er ist ein ausgesprochen kosmopolitischer Autor, was, wie er selbst meint, mit seiner Wurzellosigkeit zusammenhängt: die kulturelle und geistige Armut auf
Trinidad bedrückt ihn zutiefst, er hat ein distanziertes Verhältnis zu Indien, und gleichzeitig fällt es ihm schwer, Zusammengehörigkeit mit den traditionellen Werten in der ehemaligen Kolonialmacht England zu empfinden und auf sie Bezug zu nehmen.
Die Handlung in den frühesten Büchern spielt in Westindien. Einige Jahre nach seinem Debut mit Der mystische Masseur (The Mystic Masseur, 1957) folgte eines seiner – wie viele meinen – bedeutendsten Werke: der biographische Roman Ein Haus für Mr. Biswas (A House for Mr. Biswas, 1961), in dem der Vater des Autors das Vorbild für die Hauptperson ist.
Nach dem grossen Erfolg mit Ein Haus für Mr. Biswas weiten sich die geographischen und sozialen Perspektiven in Naipauls schriftstellerischer Tätigkeit, und er schildert mit immer grösserem Pessimismus die Schadewirkungen des Kolonialismus und neuen Nationalismus in der dritten Welt, beispielsweise in Guerillas (Guerrilas, 1975) und An der Biegung des grossen Flusses (A Bend in the River, 1979), letztere eine Afrikaschilderung, die mit Joseph Conrads Herz der Finsternis verglichen wird.
Naipaul hat in seinen Reiseschilderungen und Reportagebüchern Eindrücke von Indien, dem Heimatland seiner Vorfahren, beschrieben, wie in Indien : Ein Land im Aufruhr (India : a Million Mutinies Now, 1991), er hat aber auch den muslimischen Fundamentalismus in nichtarabischen Ländern wie Indonesien, Iran, Malaysia und Pakistan kritisch beleuchtet, etwa in Eine islamische Reise : Unter den Gläubigen (Among the Believers, 1981) und in Beyond Belief, 1998.
Die Romane Das Rätsel der Ankunft (The Enigma of Arrival, 1987) und Ein Weg in der Welt (A Way in the World, 1994) sind weitgehend autobiographisch. In Das Rätsel der Ankunft wird geschildert, wie ein Landbesitz in Südengland und sein Eigentümer, der früher in den Kolonien tätig war und von einer Degenerationskrankheit heimgesucht wird, langsam verfallen und schliesslich untergehen. Ein Weg in der Welt, ein Mittelding zwischen Fiktion, Memoiren und historischer Darstellung, besteht aus neun freistehenden, jedoch thematisch zusammengehörenden Erzählungen, in denen karibische und indische Tradition mit der Kultur verwoben wird, mit der der Autor konfrontiert wurde, als er im Alter von 18 Jahren nach England kam.
V.S. Naipaul hat eine Vielzahl von Literatur-Preisen erhalten, u.a. den Bookerpreis 1971 und T.S. Eliot Award for Creative Writing 1986. Er ist Ehrendoktor des St. Andrew’s College und der Columbia University sowie der Universitäten in Cambridge, London und Oxford. Im Jahre 1990 wurde er von Königin Elizabeth geadelt.
Werke von V.S. Naipaul auf Deutsch |
Blaue Karren im Calypsoland. Übers. Janheinz Jahn. – Herrenalb: Erdmann, 1966. – Ursprünglicher Titel: Miguel street. |
Sag mir, wer mein Feind ist. Übers. Ursula von Zedlich zu Hohenlohe. – Unterägeri/Zug: Edition Sven Erik Bergh, 1973. – Ursprünglicher Titel: In a free state. |
Herr und Sklave. Aus dem Engl. von Ursula von Zedlitz zu Hohenlohe. – Zug (Schweiz) : Edition Bergh im Ingse-Verlag, 1974. – Ursprünglicher Titel: The mimic men.* |
Guerillas. Übers. Ursula von Zedlich zu Hohenlohe. – Unterägeri/Zug: Edition Sven Erik Bergh, 1976. – Ursprünglicher Titel: Guerillas. |
Indien : eine verwundete Kultur. Übers. Susanne Lepsius. – Unterägeri/Zug: Edition Sven Erik Bergh, 1978. – Ursprünglicher Titel: India. |
An der Biegung des grossen Flusses. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1980. – Ursprünglicher Titel: A bend in the river. |
Ein Haus für Mr. Biswas. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1981. – Ursprünglicher Titel: A house for Mister Biswas. |
Eine islamische Reise : unter den Gläubigen. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1982. – Ursprünglicher Titel: Among the believers. |
Der mystische Masseur. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1984. – Ursprünglicher Titel: The mystic masseur. |
Indien : ein Land im Aufruhr. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1992. – Ursprünglicher Titel: India. |
Das Rätsel der Ankunft. Übers. Karin Graf. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1993. – Ursprünglicher Titel: The enigma of arrival. |
Ein Weg in der Welt. Übers. Dirk van Gunsteren. – Hamburg: Hoffmann und Campe, 1995. – Ursprünglicher Titel: A way in the world |
Land der Finsternis : fremde Heimat Indien. Aus dem Engl. von Dirk van Gunsteren. – Hamburg : Hoffmann und Campe, 1997. – Ursprünglicher Titel: An area of darkness.* |
Auf der Sklavenroute : meine Reise nach Westindien. Übers. Nikolaus Stingl. – Hamburg: Hoffmann und Campe, 1999. – Ursprünglicher Titel: The middle passage. |
Wahlkampf auf karibisch oder eine Hand wäscht die andere : Roman. Aus dem Engl. von Werner Peterich. – München : Ullstein-Taschenbuchverl, 2001. – Ursprünglicher Titel: The suffrage of Elvira.* |
Jenseits des Glaubens : eine Reise in den anderen Islam. Aus dem Engl. von Monika Noll und Ulrich Enderwitz. – München : Claassen, 2002. – Ursprünglicher Titel: Beyond belief.* |
Briefe zwischen Vater und Sohn. Aus dem Engl. von Kathrin Razum und Claus Varrelmann. – München : Claassen, 2002. Ursprünglicher Titel: Letters between a father and son.* |
Amerika : Lektionen einer neuen Welt. Aus dem Engl. von Monika Noll und Ulrich Enderwitz. – München : Claassen, 2003. – Ursprünglicher Titel: The writer and the world.* |
Miguel Street : [eine Geschichte aus Trinidad]. Aus dem Engl. von Janheinz Jahn. – München : List, 2003. Ursprünglicher Titel: Miguel Street.* |
Das Lesen und das Schreiben. Aus dem Engl. von Kathrin Razum und Dirk van Gunsteren. – München : Claassen, 2003. Ursprünglicher Titel: Reading and writing.* |
Abschied von Eldorado : eine Kolonialgeschichte. Aus dem Engl. von Bettina Münch und Kathrin Razum. – München : List, 2003. – Ursprünglicher Titel: The loss of El Dorado.* |
Ein halbes Leben : Roman. Aus dem Engl. von Sabine Roth und Dirk van Gunsteren. – München: List, 2003. Ursprünglicher Titel: Half a life.* |
Herr und Sklave : Roman. Aus dem Engl. von Kathrin Razum. – Berlin : List, 2004. – Ursprünglicher Titel: The mimic man.* |
Des Nachtwächters Stundenbuch und andere komische Entdeckungen. Aus dem Engl. von Kathrin Razum und Walter Ahlers. – München : Claassen, 2004. – Ursprünglicher Titel: The nightwatchman’s occurrence book and other comic inventions.* |
Magische Saat : Roman. Aus dem Engl. übers. von Sabine Roth. – Berlin : Claassen, 2005. – Ursprünglicher Titel: Magic seeds.* |
Literatur |
Bondy, François, V.S. Naipaul : der west-östliche Inder. Schweizer Monatshefte 1979:8. |
Ortlepp, Gunar, Die Dritte Welt der Heimatlosen. Der Spiegel 1.6.1981. S. 177–182. |
Barloewen, Constantin von, Auf der Suche nach Metropolis : zur Kulturphilosophie V.S. Naipauls. Neue Rundschau 1982:4. S. 124–144. |
Cramer, Sibylle, Geschichten von Niemandslandleuten : V.S. Naipaul, der große Westinder der englischen Literatur. Die Zeit 12.11.1982. |
Ebel, Claudia, Der entwurzelte Hindu : eine Untersuchung zum postkolonialen Kulturkonflikt in V.S. Naipauls Trinidadromanen. – Frankfurt/M.: Lang, 1988. |
Heller, Zoë, Die Angst vor Auslöschung (Interview). Frankfurter Rundschau 14.8.1993. |
Isenschmid, Andreas, Im Wendekreis des Nebels. Die Zeit 11.3.1994. |
Klier, Walter, Alle Leute waren dunkler. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.10.1995. |
Heinrichs, Hans-Jürgen, Die Fremde als Roman. Die Zeit 13.10.1995. |
Kreimeier, Klaus, Tropisch überwuchertes Pompeji. Frankfurter Rundschau 21.10.1995. |
Levy, Judith, V.S. Naipaul : Displacement and Autobiography. – New York: Garland, 1995. |
Wicht, Wolfgang, Die kulturelle Kreuzung von Karibik und Metropole. In: Hermann Herlinghaus / Utz Riese (Hg.): Sprünge im Spiegel : postkoloniale Aporien der Moderne in beiden Amerika. – Bonn: Bouvier, 1997. S. 208–245. |
Conversations with V.S. Naipaul. Ed. Feroza Jussawalla. – Jackson: Univ. Press of Mississippi, 1997. |
Theroux, Paul, Sir Vidia’s Shadow : A Friendship across Five Continents. – Boston: Houghton Mifflin, 1998. |
Naipaul, V.S., Pour en finir avec vos mensonges : Sir Vidia en conversations. Traduit de l’anglais par Isabelle di Natale et Béatrice Dunner. – Monaco : Rocher, 2001.* |
Hayward, Helen, The Enigma of V.S. Naipaul : Sources and Contexts. – New York : Palgrave Macmillan, 2002.* |
King, Bruce, V.S. Naipaul. 2. ed. – Basingstoke : Palgrave Macmillan, 2003.* |
Barnouw, Dagmar, Naipaul’s Strangers. – Bloomington : Indiana University Press, 2003.* |
Die Schwedische Akademie
Nobel Prizes and laureates
Six prizes were awarded for achievements that have conferred the greatest benefit to humankind. The 12 laureates' work and discoveries range from proteins' structures and machine learning to fighting for a world free of nuclear weapons.
See them all presented here.