Otto Hahn
Banquet speech
Otto Hahn’s speech at the Nobel Banquet in Stockholm, December 10, 1946 (in German)
Der Schwedischen Akademie der Wissenschaften und dem Nobelkomite möchte ich meinen tiefgefühlten Dank aussprechen für die grosse Ehre, die sie mir mit der Erteilung des Nobelpreises erwiesen haben, und auch Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident Curman, möchte ich herzlich danken für Ihre gütigen Worte.
Mein Dank ist besonders tiefempfunden, weil ich hier als Angehöriger eines Landes stehe, das durch sein Regime und durch einen fast 6-jährigen Krieg das wohl unglücklichste Land der Welt geworden ist. Es steht allein da und hat keinen Freund. Durch die Verleihung des Preises glaube ich aber doch zu erkennen, dass die Verbindung wenigstens der internationalen Wissenschaft nicht abgerissen ist. Diesen beglückenden Eindruck hatte ich schon vor einigen Monaten, als ausländische, vor allem britische Gelehrte nach Göttingen kamen, um an den Tagungen der Chemiker und Physiker in der Britischen Zone teilzunehmen. Denselben Eindruck hatten wir durch die Einladung einzelner Deutscher nach England zur Newton-Feier und zu einem Röntgen-Kongress.
Es ist ja wirklich nicht so, dass während der letzten 13 Jahre alle Deutschen und vor allem alle deutschen Wissenschaftler sich mit fliegenden Fahnen dem Hitlerregime verschrieben hätten.
Und dass die Wissenschaft auch während des Krieges in Deutschland nicht zum Erliegen kam, wird die auf Anregung der Alliierten zurzeit in Deutschland zur Veröffentlichung vorbereitete Monographien-Sammlung wohl zeigen, wenn die Arbeiten auch vielfach unter dem Motto «kriegswichtig» oder gar «kriegsentscheidend» liefen. Tausende junger Deutscher sind dadurch der Forschung erhalten geblieben. Tausende wurden in die neue Zeit herübergerettet.
Und was die deutsche Jugend angeht, so ist das Verhalten grosser Teile von ihr vielleicht nicht so hart zu beurteilen, wie es wohl gelegentlich geschieht. Sie hatte ja keine Möglichkeiten einer eigenen Urteilsbildung, keine unabhängige Presse, keine ausländische Radioübertragung, konnte das Ausland nicht persönlich kennenlernen. Wer ins Ausland geschickt wurde, wurde überprüft, und wer Kritik übte, wurde nicht fortgelassen.
Wieviel leichter war es für uns von der alteren Generation. Dass ich das Glück habe, heute hier zu sprechen, verdanke ich meinem verehrten englischen Lehrer, Sir William Ramsay, auf dessen Vorschlag ich von der Organischen Chemie zur Radioaktivitat übergewechselt bin, verdanke ich vor allem meinem hochverehrten Lehrer, Professor Rutherford, der vor 40 Jahren mit seiner eigenen Begeisterung mich selbst mit Begeisterung fiir das damals neue Gebiet der Radiumforschung erfüllte.
Und bis in die letzten Jahre hinein konnte ich die Verbindung mit dem Ausland aufrechterhalten. 1939 hatte ich die Möglichkeit, in den drei skandinavischen Ländern und in England ein paar Vorträge zu halten, und 1943 verlebte ich einige unvergessliche Tage in Ihrer wunderschönen Stadt. Schon damals kam mir das wie ein Märchen vor; wieviel mehr noch ist dies heute der Fall!
Bis in die letzte Zeit hinein scheinen übrigens meine Reisen nicht aufgehört zu haben! Wenn ich die Zeitungen des Jahres 1946 aufschlage, so kann ich lesen, dass ich in Tennessee in den Vereinigten Staaten gesehen wurde, dass ich nach Russland entfiihrt bin, dass ich aber auch schon 1939 nach Schweden emigriert bin; und was sonst noch alles über meine Tätigkeit geredet worden ist, wird umso unrichtiger je romantischer es wird. In Wirklichkeit haben wir auch während des Krieges unsere Arbeiten durchgeführt und zur Veröffentlichung gebracht. Wir sind froh darüber.
Aber alle konnten dies nicht. Es ist wohl doch nicht vielen Menschen ausserhalb Deutschlands wirklich klar, unter welchem Druck die meisten während der letzten 10 oder 12 Jahre gelebt haben; und ich darf noch einmal sagen, wieviele meiner deutschen Kollegen sich trotz aller äusserlichen Hemmnisse bemüht haben, auch die reine Wissenschaftsforschung, soweit es irgend möglich war, wahrend der Kriegszeit fortzusetzen.
Noch einmal meinen tiefempfundenen Dank!
From Les Prix Nobel en 1946, Editor Arne Holmberg, [Nobel Foundation], Stockholm, 1946
Nobel Prizes and laureates
Six prizes were awarded for achievements that have conferred the greatest benefit to humankind. The 12 laureates' work and discoveries range from proteins' structures and machine learning to fighting for a world free of nuclear weapons.
See them all presented here.