Biobibliographische Notiz

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Biobibliographische Notiz

Orhan Pamuk wurde am 7. Juni 1952 in Istanbul in einer wohlhabenden, säkularisierten Familie der Mittelklasse geboren. Sein Vater war wie Onkel und Großvater väterlicherseits Diplom-Ingenieur. Der Großvater hatte den Grund für das Familienvermögen gelegt. Während seiner Jugend wollte Pamuk Maler werden. Er machte sein Abitur am Robert College und studierte danach an Istanbuls Technischer Universität Architektur und Journalistik an der Universität in Istanbul. 1985-1988 hielt er sich in den USA auf, war Gastforscher an der Columbia University in New York und hielt sich für kürzere Zeit an der University of Iowa auf. Er wohnt in Istanbul.

Pamuk hat berichtet, daß er in seiner Jugend den Wechsel von einem traditionellen ottomanischen Familienleben zu einem eher westlich orientierten Lebensstil erlebt hat. Darüber schrieb er seinen ersten veröffentlichten Roman, eine Familienchronik mit dem Titel Cevdet Bey Ve Oğulları (1982), die im Geiste Thomas Manns die Entwicklung einer Familie durch drei Generationen hindurch schildert.

Sein zweiter Roman Sessiz Ev (1983) schildert aus fünf verschiedenen Erzählperspektiven eine Situation, in der einige Familienmitglieder ihre gealterte Großmutter in einem populären Kurort besuchen, während sich die Türkei gleichzeitig am Rande eines Bürgerkriegs befindet. Es ist 1980. Die politischen Diskussionen der Enkel und der Umgang mit ihren Freunden spiegeln ein gesellschaftliches Chaos wider, in dem verschiedene extremistische Organisationen um die Macht kämpfen.

Mit seinem dritten Buch Beyaz Kale (1985; Die weisse Festung, 1990) setzte sich Pamuk international durch. Formal gesehen ist es ein historischer Roman, der im Istanbul des 17. Jahrhunderts spielt, aber sinngemäß vor allem eine Erzählung darüber, wie unser Ich aus Erzählungen und Fiktionen verschiedener Art aufgebaut ist. Die Persönlichkeit erscheint als eine veränderliche Konstruktion. Der Protagonist der Erzählung, ein Venezianer, der dem jungen Gelehrten Hodja als Sklave verkauft wurde, trifft in Hodja auf sein Spiegelbild. Als die beiden Männer einander die Geschichte ihres Lebens erzählen, tauschen sie ihre Identität. Vielleicht ist es auf einer symbolischen Ebene der europäische Roman, der gefangen-genommen wurde und eine Vereinigung mit der fremden Kultur eingegangen ist.

Pamuk ist in seiner Romankunst für sein Spiel mit Identitäten und dem Doppelgängermotiv bekannt. Eine vergleichbare Problematik findet sich auch in seinem Roman Kara Kitap (1990; Das schwarze Buch, 1995) wieder, in dem der Protagonist im Gewimmel Istanbuls nach seiner verschwundenen Frau und ihrem Halbbruder sucht, mit dem er so allmählich seine Identität tauscht. Die zahlreichen Hinweise auf die mystische Tradition des Morgenlandes läßt es als natürlich erscheinen, das Geschehen aus einer sufistischen Perspektive aufzufassen. Kara Kitap bedeutete einen endgültigen Bruch mit dem Sozialrealismus, der in der türkischen Literatur vorherrschend gewesen war. In der Türkei verursachte er nicht zuletzt durch seine Anküpfung an den Sufismus eine Debatte. Mit Ausgangspunkt in dem Roman schrieb Pamuk das Drehbuch zu einem Film, Gizli Yüz (1992). Yeni Hayat (1994; Das neue Leben, 1998) ist ein Roman über ein geheimnisvolles Buch, das die Eigenschaft hat, das Leben eines Menschen unwiderruflich zu verändern, wenn er es liest. Die Suche nach diesem Buch hat nach außen hin die Form einer Reise, aber ist von literarischen Anspielungen, gedanklichen Experimenten im Geist der Mystik und Erinnerungen an ältere türkische Populärliteratur umrahmt. Sie verwandeln die Handlung immer mehr in ein allegorisches Geschehen, das mit den romantischen Mythen über eine ursprüngliche und verlorene Weisheit verwandt ist.

Benim Adım Kırmızı (2000; Rot ist mein Name, 2001) handelt dem Verfasser zufolge vor allem von der Beziehung zwischen Ost und West und schildert die verschiedenartige Sicht der beiden Kulturen auf das Verhältnis des Künstlers zu seinem Werk. Es ist eine Erzählung über die klassische Miniaturmalerei und handelt gleichzeitig von einem rätselhaften Mord in historischer Umgebung, eine bitterschöne Liebesgeschichte und eine subtil dialektische Diskussion über die Rolle der Individualität in der Kunst.

Pamuk hat die Essaysammlung Öteki Renkler : Seçme Yazılar Ve Bir Hikâye (1999) und die Stadtschilderung İstanbul : Hatıralar Ve Şehir (2003) veröffentlicht. Die letztgenannte verwebt Rückblicke auf die Jugend des Verfassers mit einer Schilderung der literarischen und kulturellen Geschichte Istanbuls. Ein Schlüsselwort ist hüzün, ein vieldeutiger Begriff, den Pamuk verwendet, um die Melancholie zu charakterisieren, die seiner Ansicht nach Istanbul und seine Einwohner kennzeichnet.

Pamuks letzter Roman ist Kar (2002; Schnee, 2005). Er spielt in den 1990er Jahren an der Ostgrenze der Türkei in der Stadt Kars, einst Grenzstadt zwischen dem osmanischen und dem russischen Reich. Der Protagonist ist ein Schriftsteller, der im Exil in Frankfurt lebt. Er reist nach Kars, um sich über sich selbst und sein Land klar zu werden. Der Roman entwickelt sich zu einer Erzählung über Liebe und poetisches Schaffen, während er gleichzeitig sachverständig die politischen und religiösen Gegensätze beschreibt, die die heutige türkische Gesellschaft kennzeichnen.

Pamuk ist in seinem Heimatland als Gesellschaftskritiker bekanntgeworden, obwohl er sich selbst in erster Linie als belletristischen Schriftsteller ohne politische Absichten sieht. Als erster Autor der muslimischen Welt hat er die Fatwa gegen Salman Rushdie öffentlich verurteilt. Er nahm für seinen türkischen Kollegen Yaşar Kemal Stellung, als dieser 1995 vor Gericht gestellt wurde. Pamuk selbst wurde wegen einer Äusserung gegenüber einer Schweizer Zeitung angeklagt, 30 000 Kurden und eine Million Armenier seien in der Türkei ermordet worden. Die Anklage rief umfassenden internationalen Protesten hervor. Das Verfahren wurde später eingestellt.

Literaturpreise und Auszeichnungen: Milliyet Roman Yarışması Ödülü (1979, geteilter Preis mit Mehmet Eroğlu), Orhan Kemal Roman Ödülü (1983), Madaralı roman Ödülü (1984), the Independent Award for Foreign Fiction (1990), Prix de la Découverte Européenne (1991), Prix France Culture (1995), Prix du Meilleur Livre Étranger (2002), Premio Grinzane Cavour (2002), the IMPAC Dublin Award (2003), Ricarda-Huch-Preis (2005), Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2005), Prix Médicis étranger (2005), Prix Méditerranée Étranger (2006).

Werke auf türkisch
Cevdet Bey Ve Oğulları. – İstanbul : Karacan Yayınları, 1982
Sessiz Ev. – İstanbul : Can Yayınları, 1983
Beyaz Kale. – İstanbul : Can Yayınları, 1985
Kara Kitap. – İstanbul : Can Yayınları, 1990
Gizli Yüz : Senaryo. – İstanbul : Can Yayınları, 1992
Yeni Hayat. – İstanbul : İletişim, 1994
Benim Adım Kırmızı. – İstanbul : İletişim, 1998
Öteki Renkler : Seçme Yazılar Ve Bir Hikâye. – İstanbul : İletişim, 1999
Kar. – İstanbul : İletişim, 2002
İstanbul : Hatıralar Ve Şehir. – İstanbul : Yapı Kredi Kültür Sanat Yayıncılık, 2003
Werke auf deutsch
Die weisse Festung / Aus dem Türk. übertr. von Ingrid Iren. – Frankfurt am Main : Insel, 1990. – Originaltitel: Beyaz Kale
Das schwarze Buch / Aus dem Türk. von Ingrid Iren. – München : Hanser, 1995. – Originaltitel: Kara Kitap
Das neue Leben / Aus dem Türk. von Ingrid Iren. – München : Hanser, 1998. – Originaltitel: Yeni Hayat
Rot ist mein Name / Aus dem Türk. von Ingrid Iren. – München : Hanser, 2001. – Originaltitel: Benim Adım Kırmızı
Schnee / Aus dem Türk. von Christoph K. Neumann. – München : Hanser, 2005. – Originaltitel: Kar
Der Blick aus meinem Fenster : Betrachtungen. – München : Hanser, 2006
Werke auf englisch
The White Castle / translated from the Turkish by Victoria Holbrook. – New York : Braziller, 1991 ; London : Faber & Faber, 2001. – Translation of Beyaz Kale
The Black Book / translated by: Güneli Gün. – New York : Farrar, Straus, 1994 ; London : Faber & Faber, 1994. – Translation of Kara Kitap
The Black Book / translated by: Maureen Freely. – New York : Knopf, 2006 ; London : Faber & Faber, 2006. – Translation of Kara Kitap
The New Life / translated by Güneli Gün. – New York : Farrar, Straus, and Giroux, 1997 ; London : Faber & Faber, 1997. – Translation of Yeni Hayat
My Name is Red / translated from the Turkish by Erdağ M. Göknar. – New York : Knopf, 2001 ; London : Faber & Faber, 2001. – Translation of Benim Adım Kırmızı
Snow / translated from the Turkish by Maureen Freely. – New York : Knopf, 2004 ; London : Faber & Faber, 2004. – Translation of Kar
Istanbul : Memories and the City / translated from the Turkish by Maureen Freely. – New York : Knopf, 2005 ; London : Faber & Faber, 2005. – Translation of İstanbul : Hatıralar Ve Şehir
Werke auf französisch
La maison du silence / trad. du turc par Münevver Andaç. – Paris : Gallimard, 1988. – Traduction de: Sessiz Ev
Le livre noir / trad. du turc par Münevver Andaç. – Paris : Gallimard, 1994. – Traduction de: Kara Kitap
Le château blanc / trad. du turc par Münevver Andaç. – Paris : Gallimard, 1996. – Traduction de: Beyaz Kale
La vie nouvelle / trad. du turc par Münevver Andaç. – Paris : Gallimard, 1998. – Traduction de: Yeni Hayat
Mon nom est Rouge / trad. du turc par Gilles Authier. – Paris : Gallimard, 2001. – Traduction de: Benim Adım Kırmızı
Neige / traduit du turc par Jean-François Pérouse. – Paris : Gallimard, 2005. – Traduction de: Kar
Werke auf schwedisch
Den vita borgen / översättning från turkiskan av Kemal Yamanlar i samarbete med Anne-Marie Özkök. – Stockholm : Tiden, 1992. – Originaltitel: Beyaz Kale
Den svarta boken : roman / översatt av Jan Verner-Carlsson. – Stockholm : Tiden, 1995. – Översättning från den norska utgåvan med titeln: Svart bok och den engelska utgåvan med titeln: The black book. – Originaltitel: Kara Kitap
Det nya livet : roman / översatt från turkiskan av Dilek Gür. – Stockholm : Rabén Prisma/Arleskär, 1996. – Originaltitel: Yeni Hayat
Det tysta huset : roman / översatt från turkiskan av Dilek Gür. – Stockholm : Norstedt, 1998. – Originaltitel: Sessiz Ev
Mitt namn är röd / översättning: Ritva Olofsson. – Stockholm : Norstedt, 2002. – Originaltitel: Benim Adım Kırmızı
Snö / översättning Inger Johansson. – Stockholm : Norstedt, 2005. – Översättning från den engelska utgåvan med titeln: Snow. – Originaltitel: Kar
Istanbul – minnen av en stad / översatt av Tomas Håkanson. – Stockholm : Norstedt, 2006. – Originaltitel: İstanbul : Hatıralar Ve Şehir

Die Schwedische Akademie

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