Erwin Schrödinger

Banquet speech

Erwin Schrödinger’s speech at the Nobel Banquet in Stockholm, December 10, 1933 (in German)

Königliche Hoheiten! Meine Damen und Herren!

Es gibt Dinge im Leben, die man nicht durch Erfahrung lernen kann, sondern gleich das erste Mal richtig treffen muss. Und trifft man es nicht, so hat man keine Gelegenheit, den Fehler beim zweiten Mal zu verbessern. In einer solchen Situation befinde ich mich heute. Ich hab mich noch nie im Leben in einer feierlichen Tischrede für den Nobelpreis zu bedanken gehabt und, wenn ich es nicht treffe, so werde ich die erlangte Übung bei keiner zweiten solchen Gelegenheit verwerten können. Denn der Anlass ist einzig in seiner Art. Gehen Sie deshalb nicht zu streng mit mir ins Gericht.

Sie werden vielleicht sagen, ich hätte doch gestern und heute Zeit gehabt, mich wenigstens recht gründlich darauf vorzubereiten. Ja, das ist wahr. Aber es ist leichter gesagt als getan. Versetzen Sie sich bitte in die Lage eines Menschen, der zum ersten Mal am frühen Morgen bei strahlendem Sonnenschein diese wundervolle Stadt betritt mit ihren weiten Wasserflächen, den herrlichen Bauten, dem stolzen Schloss, den Türmen und Felsen, den fröhlichen, liebenswürdigen Menschen, die einen so freundlich aufnehmen; diese Stadt, die so neu, so ganz anders ist als irgend etwas anderes auf der Welt, so dass sie einen sofort in ihrem Bann hat und man immer nur gehen und schauen möchte, gehen und schauen und irgendwo hinaufsteigen, um ihr Bild recht voll und ganz in sich hineinzutrinken. Ja, da kann man einfach nicht anders, man hört nicht auf den Ruf der Pflicht, sondern denkt sich, irgendwie wird es morgen schon gehen – die Menschen, die in solcher Schönheit leben, werden keine gar zu strengen Kritiker sein.

Und was ich zu sagen habe, ist ja auch nicht allzu schwer. Ich muss danken für all das Schöne, Liebe und Gute, das ich hier erleben darf. Und es heisst doch: wes das Herz voll ist, davon geht der Mund über. Mein Herz ist voll, so voll, dass ich kaum weiss, wo ich anfangen soll. Das Erste sind wohl die Gefühle der Dankbarkeit im Andenken an den über alles bis dahin bekannte Mass freigebigen Stifter Alfred Nobel, der durch sein fürstliches Geschenk an die Wissenschaft der Welt diese Institution ins Leben gerufen hat. Nächst ihm richtet sich der erste und heisseste Dank an Seine Majestät und an die königliche Familie, welche durch ihr Mitwirken, durch ihre herzliche und tätige Anteilnahme dieses Fest zu einem einzigartigen machen, zu etwas, das es auf der ganzen Welt nicht wieder gibt, einer Ehrung wissenschaftlicher Arbeit ohnegleichen, die, wenn wir den Blick durch die Geschichte schweifen lassen, höchstens in den feierlichen Dichterkrönungen des mittelalterlichen Rom eine Parallele hat. Die davon Betroffenen können vor dem Glanz dieser Tage nur still und bescheiden den Blick senken und sich sagen, dass sie hier nicht eigentlich als Einzelpersonen stehen, sondern als Repräsentanten eines grossen, die Welt erfüllenden Strebens nach Wahrheit, dem hier Ehre erwiesen wird.

Wenn ich mich nun anschicke, der königlichen Akademie Dank zu sagen und dem hohen Preisrichterkollegium, so stocke ich schon. Ist es hier überhaupt erlaubt, zu danken, da doch diese Richter seit vielen Jahren nach bestem Wissen und Gewissen und unbeirrt um jede Tagesmeinung ihr Urteil fällen, welches wir still und ehrerbietig hinzunehmen haben und für welches zu danken fast ebensowenig erlaubt scheint als an ihm Kritik zu üben. Allein den Gefühlen lässt sich nicht gebieten, mit denen das Herz des Einzelnen den Männern entgegenschlägt, deren freies Urteil und gute Meinung ihn dieser grossen Ehre und Freude teilhaft werden Hessen. Und so lassen Sie mich diesem Gefühl hier Ausdruck geben.

Und nun kommt das, was bei einer Rede immer das Schwierigste ist, der Schluss. Vielleicht hilft mir dieses Wort: Schluss. In wenigen Tagen wird ja leider Schluss sein, wird nicht nur dieses wundervolle Fest verrauscht sein, sondern wir werden wieder heimziehen müssen zu unserer Arbeit, werden dies schöne gastfreundliche Land, das man so schnell, in wenigen Stunden lieb gewinnt, verlassen müssen. Gestern hab ich es zum ersten Mal betreten. Lassen Sie mich schliessen mit dem ganz und gar egoistischen Wunsch: ich hoffe recht bald einmal – und nicht nur einmal, sondern oft – hierher zurückzukehren. Es wird wohl nicht zu Festen sein in flaggengeschmückten Hallen und Sälen und nicht mit so viel Gesellschaftskleidern im Koffer, sondern mit zwei langen Brettern auf der Schulter und einem Rucksack auf dem Rücken. Und dann hoffe ich, dieses Land, das mir so viel Liebe und Güte erwiesen hat, erst ganz kennen zu lernen und – wenn das überhaupt möglich ist – noch inniger lieben zu lernen als heute.

Mein Trinkspruch gilt dem immerwährenden Glück des Landes Schweden und der frohen, gütigen Menschen, die es bewohnen!

From Les Prix Nobel en 1933, Editor Carl Gustaf Santesson, [Nobel Foundation], Stockholm, 1934

Copyright © The Nobel Foundation 1933

 

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MLA style: Erwin Schrödinger – Banquet speech. NobelPrize.org. Nobel Prize Outreach AB 2024. Sun. 30 Jun 2024. <https://www.nobelprize.org/prizes/physics/1933/schrodinger/speech/>

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